Predigt zu Römer 13,1-7 - 23.Stg.n.Trinitatis - 04.11.2018
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus! Amen
Liebe Gemeinde,
groß vorstellen, brauche ich mich Ihnen sicherlich nicht.
Vielen von Ihnen bin ich ja noch bekannt, denn bis vor 13 Jahren war ich ja Pfarrer in Nobitz und habe auch schon hier im Wieratal manche Bibelstunde im Rahmen der Bibelwoche gehalten. Nun nachdem meine Frau und ich dann 9 Jahre in Fraureuth bei Werdau waren, sind wir seit 4 Jahren wieder im Altenburger Land, wo ich jetzt als Vertretungspfarrer arbeite. Als solcher werden wir nun gemeinsam, so Gott will, ein Stück des Weges miteinander gehen. Ich bin schon gespannt darauf, weil es immer wieder neue Begegnungen und Erfahrungen gibt. So wie es sie auch in den vergangenen Monaten im Pfarrbereich Schkölen-Osterfeld, für uns gab und wo wir am vergangenen Sonntag unter dem Segen der Gemeinde Abschied genommen haben.
Und gleich in meiner ersten Predigt hier in Flemmingen möchte ich ein wenig politisch werden. Dabei geht es aber nicht um Parteipolitik, sondern um das Verhalten von uns Christen in der Gesellschaft, auch im Umgang mit Regierung und Behörden.
Immer wieder wird die Frage gestellt: „Wie politisch darf denn Kirche sein?“ „Wie politisch dürfen wir als christliche Gemeinde sein?“ Egal ob im Großen – also sprich in der Landes- oder Bundespolitik oder im Kleinen in der Kommunalpolitik. Da gibt es recht widersprüchliche Aussagen.
Mancher möchte die Kirche in ihre Kirchenmauern verbannen. Andere wollen, dass Kirche noch mehr zu den gesellschaftspolitischen Fragen Stellung nimmt und aktiver wird. So gab es ja vor einigen Jahren in Ehrenhain sogar die Wählergemeinschaft „Evangelische Christen“.
Nun ich möchte darum einmal zwei Zitate dem Predigttext des heutigen Sonntags voranstellen. Eines ist von Martin Luther und eines von Dietrich Bonhoeffer:
Martin Luther schreibt in seiner Schrift „von der Freiheit eines Christenmenschen“ folgenden Satz:
„In diesem Sinne gebietet auch Paulus Röm 13 und [25] Tit 3, dass die Christen weltlicher Gewalt untertan sein und zur Verfügung stehen sollten, nicht weil sie dadurch gerecht werden könnten, sondern weil sie den anderen und der Obrigkeit damit frei dienen sollten und deren Willen aus Liebe und Freiheit täten.“
Dietrich Bonhoeffer schrieb:
»Wenn ich einen wahnsinnigen Autofahrer den Kurfürstendamm entlang fahren sehe, der rechts und links in die Passanten hineinfährt, so ist es nicht nur meine Aufgabe, die Verletzten zu verbinden und die Sterbenden zu trösten, sondern ich muss versuchen, ihn vom Steuer zu reißen, selbst unter Einsatz meines Lebens.«
Und noch zwei Dinge, ehe ich den Predigttext vorlese.
Über den heutigen Predigttext wird nicht oft im Gottesdienst gepredigt. Theoretisch könnte es das letzte Mal vor 48 Jahren 1970 gewesen sein, aber da waren nach der alten Ordnung altkirchliche Evangelientexte dran. Und 1978 war dann die Reform der Perikopenordnung. Dennoch ist noch nie im Rahmen dieser Perikopenordnung über diesen Text gepredigt worden.
Und dann noch etwas zum historischen Kontext: Der Apostel Paulus schrieb diesen Brief wahrscheinlich im Jahr 58 nach Christus an die Römer. Also zwei Jahre bevor der Kaiser Nero die Stadt Rom anzündete und es den Christen in die Schuhe schob. Und damit die erste wirklich große Christenverfolgung begann:
Wir lesen jetzt aus Römer 13,1–7: Da schreibt Paulus:
1 Jedermann sei untertan der Obrigkeit*, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, ist sie von Gott angeordnet.
2 Darum: Wer sich der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt Gottes Anordnung; die ihr aber widerstreben, werden ihr Urteil empfangen.
3 Denn die Gewalt haben, muss man nicht fürchten wegen guter, sondern wegen böser Werke. Willst du dich aber nicht fürchten vor der Obrigkeit, so tue Gutes, dann wirst du Lob von ihr erhalten.
4 Denn sie ist Gottes Dienerin, dir zugut. Tust du aber Böses, so fürchte dich; denn sie trägt das Schwert nicht umsonst. Sie ist Gottes Dienerin und vollzieht die Strafe an dem, der Böses tut.
5 Darum ist es notwendig, sich unterzuordnen, nicht allein um der Strafe, sondern auch um des Gewissens willen.
6 Deshalb zahlt ihr ja auch Steuer; denn sie sind Gottes Diener, auf diesen Dienst beständig bedacht.
7 So gebt nun jedem, was ihr schuldig seid: Steuer, dem die Steuer gebührt; Zoll, dem der Zoll gebührt; Furcht, dem die Furcht gebührt; Ehre, dem die Ehre gebührt.
Ihr Lieben,
kennt Ihr von Heinrich Mann den Roman „Der Untertan“?
Er erzählt von Diederich Heßling als einem Beispiel für einen bestimmten Typ Mensch in der Gesellschaft des deutschen Kaiserreichs. Heßling ist obrigkeitshörig, feige und ohne Zivilcourage. Er ist ein Mitläufer und Konformist.
Heinrich Mann erzählt mit ironischer Distanz Heßlings Lebensgeschichte von dessen Kindheit bis hin zur Sicherung seiner Stellung in der wilhelminischen Gesellschaft. Er wird dargestellt als unsicherer junger Mann, Student, Mitglied einer schlagenden Studentenverbindung, Stammtischagitator, Fabrikbesitzer, Kontrahent des Proletariats, Beherrscher der Familie, lokalpolitischer Intrigant und Verehrer des deutschen Kaisers Wilhelm II. An einer Kette solcher Episoden, denen Zitate aus Kaiserreden als Leitfaden dienen, wird Heßlings Aufstieg zu Einfluss und Macht dargestellt, wobei sich seine Persönlichkeit einerseits als Tyrann gegen Schwächere auslebt, andererseits als Untertan, der sich freudig höheren politischen Gewalten unterordnet. Heßling identifiziert sich mit den Weltmachtambitionen der radikalen Nationalisten, die den kommenden Weltkrieg herbeiwünschen.
Dieser Roman wurde 1951 von Wolfgang Staudte als Film mit Werner Peters in der Hauptrolle erfolgreich produziert. Im Westen stand er, wegen seiner politischen Spitzen auf dem Index. Im Osten war der Film Pflicht in den Schulen.
Jedenfalls fällt mir dieser Roman ein, wenn ich den Text des Paulus lese und die Worte höre: „Jedermann“ oder noch genauer im Urtext: „Jede Seele“ sei der Obrigkeit untertan!“
Aber ich denke, genau um so eine überzogene Hörigkeit geht es dem Apostel Paulus nicht, sondern ihm ist es wichtig darzustellen, dass es klare von Gott gesetzte Fronten gibt, die es erst einmal einzuhalten gilt.
Wir müssen uns auch bewusst machen, wann Paulus diesen Text geschrieben hat.
Wie ich es schon gesagt habe, zwei Jahre bevor die Christen in Rom der Brandstiftung durch den Kaiser Nero bezichtigt werden und dann verfolgt werden, schreibt der Apostel diese Worte. Dabei war die Christenverfolgung in Rom nicht unbedingt die Erste, sondern überall im Land gab es schon kleinere Verfolgungen, auch er, der Apostel, hatte schon im Gefängnis gesessen und ist gesteinigt worden.
Dennoch schreibt er solche Worte der Loyalität gegenüber der staatlichen Obrigkeit. Das war ihm wichtig zu schreiben, weil manche Christen jener Zeit in dem Bewusstsein lebten, Bürger einer höheren Welt und eines unerschütterlichen Königreiches Gottes zu sein. Sie schätzten nun die feindliche und dem Untergang entgegeneilende Welt als gering ein.
Auch sahen sie die Oberen als ihre Feinde an und sprachen der durch sie repräsentierten Staatsordnung jede moralische Autorität ab.
So leicht können wir den Widerspruch hier nicht auflösen. Vielleicht sollten wir das auch gar nicht tun, sondern uns ihm aussetzen.
Auch wir werden hier selber an unsere jüngste Geschichte im Wieratal erinnert, die Joachim Krause in seinem Büchlein „Im Glauben an Gott und Hitler“ versucht hat, ein Stück aufzuarbeiten. Und wer die Christen der Bekennenden Kirche sieht, auch da gab es nicht gleich den Widerstand, sondern ein Ringen zwischen Anpassung und Widerstand.
Denn in der Auseinandersetzung mit diesem Bibeltext wird uns deutlich, dass dieser Text des Apostels Paulus gerade uns den Umgang mit der „Obrigkeit“ nicht so einfach macht. Wir wissen aus der Kirchengeschichte, dass gerade dieser Bibeltext nicht nur im 3. Reich, sondern auch schon viel früher immer wieder missbraucht wurde. Vielleicht ist sogar Martin Luther in seiner Zwei-Reiche-Lehre damit etwas sorglos umgegangen. Lesen sie einmal dazu in seinen Schriften: „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ und „Von guten Werken“.
Aber auch hier muss man mit Urteilen vorsichtig sein. Denn wer die Schriften von Martin Luther und besonders von Philipp Melanchton liest, der wird sehr viel Positives zur Obrigkeit finden, was wir heute kritischer sehen. Dennoch ist manche Aussage aus den Wirren der Reformation heraus zu sehen.
Viele Menschen heute in Deutschland sind unzufrieden mit der Politik, mit der Regierung, mit dem Staat. Das haben ja auch wieder die Wahlen in Bayern und Hessen gezeigt. Und dann gibt es unschöne Auseinandersetzungen über die Politik, die richtigen tiefgehenden Hass erzeugen. Der Ruf „Merkel muss weg“ oder der Pegida-Galgen sind ein Ausdruck dieses Hasses. Dabei leben wir eigentlich in einem Deutschland, wo es der Masse der Menschen noch nie besser ging – auch hier im Osten Deutschlands.
Die Bildzeitung schrieb vor ein paar Tagen: Deutschland geht es gut, doch populistische Parteien gewinnen an Zulauf.
In Deutschland herrscht fast Vollbeschäftigung, Löhne und Renten steigen kräftig, die Preise sind stabil und um unsere Polizei beneiden uns viele Länder der Welt.
Deutschland geht es gut! Trotzdem wird die Unzufriedenheit vieler Menschen mit den Regierenden in Berlin und in den Ländern größer, wütender, gefährlicher. Populistische Parteien und Bewegungen links wie rechts gewinnen an Zulauf.
Warum nur? Wir sind ein sorgloses Land, aber das heißt nicht, dass die Menschen sich keine Sorgen machen. Dazugehören und gehört werden, es ist dieses Gefühl, das viele an ihrer Heimat vermissen.
Politik muss deshalb heute mehr schaffen als „Wohlstand für alle“: ein Gefühl des Zusammenhalts und die Zuversicht, dass gut bleibt, was heute schon gut ist.
Natürlich machen Menschen Fehler, natürlich machen Regierungen Fehler, auch hier in Deutschland, natürlich machen unsere Regional- und unsere Kommunal-Parlamente Fehler. Und die müssen dann auch beim Namen genannt werden, aber es geht eben auch um die Art und Weise, wie man es tut.
Nun sind wir heute als Christen in ganz besonderer Weise angefragt nach unserem Verhältnis zu Staat und Regierung, zu unserem Kommunalparlament – sprich Gemeinderat.
„Die Behörden sind kein Schrecken für eine gute Tat. Wenn du sie nicht fürchten willst, tue das Gute. Das wird dir von ihr öffentliches Lob einbringen.“ so habe ich in einem Kommentar über unseren Text gelesen.
Auch heute geht es wieder um die leidige Geschichte mit den Steuern. Wer von uns zahlt denn gern Steuern?
Ich auch nicht und ich denke, ich habe einen recht guten Steuerberater, der mir manches an Steuern wieder zurückholt. Er hat von mir gerade wieder einen dicken Ordner bekommen. Aber dennoch bekommt der Staat in all seinen Formen vom Kommunalparlament bis zur Bundesregierung noch genügend von mir. Und das ist auch rechtens, denn sonst funktioniert das Gemeinwesen nicht. Dass man immer mal darauf sieht, dass Steuern wieder gesenkt werden, steht auf einem anderen Blatt. Aber auch Jesus macht das schon deutlich, als man ihn nach dem Steuern zahlen fragte: So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist! (Lk 20,25)
Vor zwei Wochen predigten wir im Gottesdienst schon über einen Bibeltext, der so einen ähnlichen Aspekt beleuchtete. Es war der Brief des Jeremia an die Exulanten in Babylon, wo er sie aufforderte, dort sesshaft zu werden und für das Gemeinwesen einzutreten. Dabei schrieb er einen sehr wichtigen Satz, der auch für uns als Christen hier im Wieratal gelten sollte:
Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn’s ihr wohlgeht, so geht’s euch auch wohl. ( Jeremia 29,7)
Das Gebet für unsere Regierung ist ein wichtiger Punkt. Das bedeutet Regierung in allen Formen: Bundesregierung, Landesregierung, Kreistag und Gemeinderat. Es ist unsere Aufgabe bei Gott für die Politiker im Gebet einzutreten, dass sie zum Wohle des Landes, der Orte und der Gesellschaft wirken.
Und wir haben, dann auch eine Zusage, dass es uns gut geht.
Amen.
Und der Friede Gottes, welche höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen