Predigt zu Markus 8,1-9 -Erntedankfest 2020
Liebe Gemeinde,
Erntedank im Jahr 2020 – das hätten wir uns am Beginn dieses Jahres vielleicht ganz anders vorgestellt. Dieses Wochenende vielleicht als ein Wochenende, wo überall Herbstvolksfeste sind zum Tag der deutschen Einheit. Doch es ist alles anders.
Wir lesen aus Markus 8,1–9 (HfA)
1 In diesen Tagen war wieder einmal eine große Menschenmenge bei Jesus versammelt. Schließlich hatten die Leute nichts mehr zu essen. Jesus rief seine Jünger zu sich und sagte:
2 »Die Leute tun mir leid. Sie sind jetzt schon drei Tage bei mir und haben nichts mehr zu essen.
3 Ich kann sie doch nicht hungrig wegschicken. Sie würden unterwegs zusammenbrechen, denn einige von ihnen haben es noch weit bis nach Hause!«
4 Darauf erwiderten die Jünger: »Aber woher soll jemand hier in dieser verlassenen Gegend genügend Brot bekommen, damit sie alle satt werden?«
5 »Wie viele Brote habt ihr denn?«, wollte Jesus wissen. Sie antworteten: »Sieben!«
6 Da forderte Jesus die Menschen auf, sich auf den Boden zu setzen. Er nahm die sieben Brote und dankte Gott dafür. Dann teilte er sie und gab sie den Jüngern, die sie an die Leute weiterreichten.
7 Sie hatten auch noch einige kleine Fische bei sich. Wieder dankte Jesus Gott dafür und ließ dann die Fische verteilen.
8 Nachdem sich alle satt gegessen hatten, wurden die Reste eingesammelt: sieben große Körbe voll.
9 Etwa viertausend Menschen hatten an der Mahlzeit teilgenommen. Nach dem Essen verabschiedete Jesus die Leute.
Sicher 30 Jahre Deutsche Einheit geben uns trotz aller Unkenrufe viel Grund zum Danken. Doch da ist die Corona-Pandemie, die ja nun auch den amerikanischen Präsidenten erwischt hat, obwohl er sie fast ignorieren wollte und heruntergespielt hat. In der Landwirtschaft ist es das dritte Dürrejahr. Sicher in diesem Jahr nicht ganz so dramatisch, aber die Folgen der beiden letzten Jahre konnten nicht kompensiert werden.
Menschen haben wegen der Corona-Krise ihre Arbeit verloren oder sogar die Lebensexistenz ist bedroht. Ist es wirklich passend, Erntedank zu feiern, Danke zu sagen? Müssten wir da nicht mehr einen Erntebitttag halten oder einen Tag der Klage?
Vielleicht können wir uns deswegen gerade auch heute besonders gut in die Situation unseres Predigttextes hineindenken. Da sitzen sie, die 4000 Menschen in einer Einöde – in einer unbewohnten Gegend – weit draußen – fern von jeglicher Zivilisation. Sie waren hungrig nach Gottes Wort. Mit diesem Hunger sind sie zu Jesus gekommen. Sie kamen von weither. Kein Weg war ihnen zu gering. Wir gehen nicht einmal am Sonntag ins Nachbardorf in die Kirche, um Gottes Wort zu hören! Und Jesus hat ihnen die geistliche Nahrung gegeben. Sie saugen die Worte, die Jesus sagt, auf wie ein Schwamm. Sie hungern danach. Sie erfahren Jesus als das, was er ist: „Ich bin das Brot des Lebens!“
Jesus hat drei Tage lang gepredigt, so schreibt es Markus. Aber hier gilt: Bitte nicht nachrechnen: Drei mal 24 ergibt 72 Stunden – da muss er doch völlig heiser und außerdem todmüde gewesen sein. Das ist nur die Oberfläche, ein bisschen orientalisch übertrieben, wenn man will. Gemeint ist: Die Leute hatten Jesus lange Zeit wie gebannt zugehört.
Nun sieht Jesus nicht nur ihren geistlichen Hunger nach Gottes Wort, sondern auch den irdischen Hunger: Aber die Versorgungslage ist angespannt. Wie sollen sie hier in der Einöde satt werden ? Der Weg nach Hause, um zur nächsten Mahlzeit zu kommen, ist zu weit. Also auf der einen Seite 4000 Leute und auf der anderen Seite 7 Brote und ein paar Fische. Das geht irgendwie nicht auf. Da kann man doch nur jammern und klagen. Vielleicht zu Gott schreien, dass er irgendwie eingreift und hilft. Oder resignieren?
Doch Jesus handelt anders. Er nimmt das, was da. Er dankt dafür. Er segnet es. Das, was sie haben, bringen Jesus vor den himmlischen Vater, damit Gott seinen Segen dazugebe. Dann gibt er es weiter an seine Jünger und die geben es an die Menschen weiter und es reicht und es ist überreichlich. Manchmal fragen wir uns wie geht das? Aus fast nicht werden alle satt. Bei Jesus geht es. Er zeigt uns auch hier, dass Gott gibt, dass Gott am Ende überreichlich gibt, dass sogar noch übrigbleibt.
Als im Frühjahr die Regale leer wurden und es zu den strengen Kontakteinschränkungen kam, wurde uns erst einmal bewusst, wie gut es uns normalerweise geht, und was wir alles haben und was wir auch alles haben, das wir gar nicht brauchen. Wir spürten aber auch unsere Verlustängste. Und das selbst mit halbvollen Regalen und mit Kontakteinschränkungen wir doch immer noch genug und viel haben. Besonders wenn wir Älteren daran denken, wie es vor den 30 Jahren Deutsche Einheit war. Und selbst da hatten wir immer viel Grund zum Danken, denn gehungert hat auch damals selten jemand.
Nun ein halbes Jahr nach Beginn der Corona-Krise sind wir noch mitten in ihr drin. Wir können davon ausgehen, dass es auch an Weihnachten noch so sein wird. Und unsere Überlegungen, wie wir Weihnachten mit Corona feiern, sind schon voll im Gange. Aber vielleicht lernen wir gerade jetzt in dieser Krisensituation das Wertschätzen, was wir haben. Und können das mit Dank vor Gott bringen und ihn bitten, dass er es segnet. Dazu werden wir heute in besonderer Weise ermutigt.
Erntedank 2020 ist völlig anders als in den anderen Jahren, und doch stehen wir auch heute nicht mit leeren Händen da. Denn trotz Krise haben wir viel Gutes erlebt, vielleicht sogar ganz neu den Zusammenhalt in der Familie, im Freundeskreis, unter Nachbarn, unter Kollegen, in der Gemeinde erfahren.
In der biblischen Geschichte werden alle von dem Wenigen satt. Aber es bekommt nicht jeder ein riesengroßes Lunchpaket, sondern nur so viel, wie er braucht. Die Rester werden eingesammelt. Es sind sieben Körbe. Vielleicht nicht viel bei 4000 Menschen. Doch es reicht immer, sie werden alle satt. Ja es ist überreichlich. Gott sorgt für sie. Sie können erfahren, dass Jesus ganzheitlich das Brot des Lebens ist.
Am Ende bleibt aber die Frage, wie es mit unserem Glauben ist, wenn dunkle Wolken am Horizont aufziehen, vielleicht der Corona-Krise, aber auch anderer Schicksalsschläge im Leben, und ich in meinem Leben heute viel mehr zu kämpfen habe als noch vor wenigen Monaten. Muss ich da gute Miene zum bösen Spiel machen? Muss ich wie ein Kind artig »Danke« für ein Geschenk sagen, welches ich selbst gar nicht als ein solches erkennen kann?
Die Bibel lehrt uns, dass neben Dank und Bitte auch die Klage ihren berechtigten Platz hat und wir unseren Gefühlen Gott gegenüber in der Weise Raum geben dürfen, wie wir sie wahrnehmen.
Also: Kein erzwungener Dank! Keine unterdrückten Tränen! Keine Klage, die wir runterschlucken müssten! Aber eins dürfen wir eben doch wissen, was uns selbst noch in schwersten Zeiten Trost geben mag: Wie Gott es mit uns meint, können und müssen wir nicht daran ablesen, wie es uns geht, ob wir mehr oder weniger Geld in der Tasche haben, ob wir nachts schlechter oder besser schlafen können. Sondern die Liebe Gottes uns gegenüber ist eindeutig. Es ist der liebende Vater, dem auch Jesus sich in der Situation der Versorgungsnot anbefiehlt.
Und es ist Jesus Christus selbst, der am Kreuz gezeigt hat, dass er unbedingt auf unserer Seite steht, uns liebt und alles dafür getan hat, dass niemand uns von ihm trennen kann. Wie er hier für die 4.000 gesorgt hat, wird er auch für uns sorgen. Bei allem, was es zu beklagen gibt, in diesen Tagen, es gibt genügend Gründe zur Dankbarkeit.
Amen.